Die Grundmotivation für den Einsatz von Psychotricks kann sehr unterschiedlich sein. Da gibt es Chefs, die manipulative Winkelzüge ganz bewusst einsetzen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Sie wollen ihre eigene Machtposition durchzusetzen, Umwege abkürzen oder unliebsame Hemmnisse umgehen. Sie sind davon überzeugt, dass dies ein sinnvoller und Erfolg versprechender Weg ist. Eventuelle Nachteile, die ihr Handeln mit sich bringt, werden entweder bewusst in Kauf genommen, ignoriert oder überhaupt nicht wahrgenommen. Dieser Sorte Chef könnte eine klare Analyse der Folgekosten und Kollateralschäden helfen, das eigene Handeln zu überdenken. Nur wenn in einer glaubwürdigen Kosten- und Nutzenabwägung die Vorteile überwiegen, werden Handlungsalternativen überhaupt erst in Betracht gezogen. Und selbst dann stellt sich die Frage, ob derjenige mit einer anderen Überzeugung und Grundeinstellung zu einem anderen Verhalten überhaupt in der Lage wäre. Dies würde nämlich voraussetzen, dass er auch andere Handlungsmuster und Werkzeuge zur Verfügung hat. Oftmals behaupten diese Chefs, dass sie zwar durchaus anders handeln könnten, es ja aber gar nicht wollen. Damit umgehen sie es auf elegante Weise, die behaupteten Handlungsalternativen im Ernstfall auch unter Beweis stellen zu müssen.
Wenn Manipulationsversuche von Mitarbeitern durchschaut werden
Eine anderer Typus Chef handelt vielleicht ganz schlicht aus einer Überforderung heraus. Er fühlt sich zwar mit seinen manipulativen Interventionen nicht wohl, sieht aber in der momentanen Situation keine wirklichen Alternativen. Er weiß es halt nicht besser. Deshalb greift er in seiner Verzweiflung in die Psychotrickkiste. Das wirkt dann auf sein Umfeld meist etwas halbherzig und unbeholfen, weil es ihm an innerer Überzeugung, Kaltblütigkeit und häufig auch an der notwendigen Übung mangelt. Er hofft darauf, dass niemandem seine Unsicherheit und die daraus resultierenden Manipulationsversuche auffallen. Und falls doch, dann möge man bitte zumindest Verständnis für ihn und seine prekäre Lage haben. Leider tritt sowohl das Eine als auch das Andere auf Mitarbeiterseite nur in den seltensten Fällen ein. Fast alle Mitarbeiter haben längst bemerkt, welches Spiel hier gespielt wird und kaum jemand hat deshalb Nachsicht mit dem Chef. Wenn sie sein Spiel mitspielen, dann ebenfalls aus der Ermangelung echter Alternativen („Was sollen wir denn dagegen schon ausrichten? Er ist ja der Chef und sitzt doch am längeren Hebel.“) oder aus Kalkül („Wir lassen ihm mal seine Marotten und machen es dann letzten Endes doch so, wie wir es uns vorstellen.“) Überhaupt werden Manipulationsversuche von Mitarbeitern in den meisten Fällen sehr schnell durchschaut. Selbst, wenn sich der Chef für besonders listig und ausgebufft hält, haben seine Mitarbeiter den Braten schon längst gerochen. Das liegt schlichtweg daran, dass auch die meisten Mitarbeiter mit allen Wassern gewaschen sind, über eigene Berufs- sowie Lebenserfahrung verfügen und mit einer gewissen Grundintelligenz ausgestattet sind, was in Fachkreisen auch als „gesunder Menschenverstand“ bezeichnet wird. Und in vielen Fällen besitzen sie selbst auch ihre eigene Psychotrickkiste.
Einsatz von Psychotricks aus Berechnung oder aus Ratlosigkeit
Was diese beiden Cheftypen allerdings verbindet, ist dass sie Psychotricks in vollem Bewusstsein einsetzen. Der eine aus Berechnung, der andere aus Ratlosigkeit. Es gibt allerdings auch den Fall, dass Führungskräfte psychologische Tricks anwenden, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Dies ist dann immer der Moment, in dem der Mitarbeiter sich fragt: „Weiß mein Chef eigentlich, was er da anrichtet?“ Hier wird in guter Absicht das Chaos angerichtet. Und auch in diesen Fällen ist dann „gut gemeint“ genau das Gegenteil von „gut gemacht“, denn der Zweck heiligt keinesfalls immer die Mittel.
Psychotricks – was steckt dahinter?
Was mögen die Bedürfnisse und geheimen Hoffnungen sein, die sich mit dem (versteckten) Wunsch nach Psychotricks verbinden? Und warum wird überhaupt nach Psychotricks gesucht? Die Antwort auf diese Frage ist verhältnismäßig banal: Weil Psychotricks oftmals funktionieren. Zumindest einmal oder kurzfristig. Damit ist in vielen Situationen das Ziel schon erreicht, denn es geht vielfach nur darum, einen schnellen Erfolg einzufahren. Den nächsten Monatsabschluss positiv hinbekommen. Die aktuelle Jahresbilanz erfolgreich präsentieren. Den Vorstand schnell mal zufrieden stellen. Den anstrengenden Mitarbeiter erst einmal ruhigstellen. Die nächste Wahl gewinnen. Den nächsthöheren Job bekommen. Das drohende Fiasko erst einmal abwenden – und vieles andere mehr. Und somit wäre ja mit einem psychologischen Trick schon mal viel gewonnen; später können wir dann ja immer noch weitersehen. Hauptsache, die Kuh ist erstmal vom Eis.
Faszination und Fluch zugleich
Das weite Feld der psychologischen Tricks beinhaltet Faszination und Fluch gleichermaßen. Dem Wunsch nach einer schnellen Lösung, die der eigenen Vorstellung möglichst vollumfänglich entsprechen soll, steht der Beigeschmack von Manipulation und Gutsherrentum gegenüber. Andererseits geht es auch für Führungskräfte darum, sich vor Manipulation von anderer Seite zu schützen und sich gegen Tricksereien im Haifischbecken mit der Aufschrift „Business und Wettbewerb“ zur Wehr setzen zu können. Ansonsten besteht immer die Gefahr, dass die wichtigen Prinzipien von Ethik und Anstand auf dem Altar des kurzfristigen Erfolgs geopfert werden.
Dr. Frank Hagenow ist promovierter Psychologe, Business Coach, Keynote Speaker sowie Experte für Führung und Kommunikation. In seinem neuen Buch „Führen ohne Psychotricks. Mit Ethik und Anstand Menschen gewinnen“ zeigt Dr. Frank Hagenow, woran Führungskräfte unbewusste Mechanismen, psychologische Phänomene sowie Fallstricke im Führungsalltag erkennen und was sie dagegen tun können. Er ist Autor des Buches (GABAL Verlag, 2018).
Mit seinen Vorträgen, Coachings und Seminaren unterstützt er Unternehmern und Führungskräfte dabei, mehr Souveränität im Umgang mit Mitarbeitern und Kunden zu erreichen und in schwierigen Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Weitere Informationen finden Sie auch unter www.frank-hagenow.com. Kontakt können Sie am besten zu ihm aufnehmen unter Mail office@frank-hagenow.com; oder Telefon Tel.: +49 (0) 4105 77 09 23
Quelle: Braintrust-Group (https://www.braintrust-group.de/impuls-des-tages/warum-fuehrungskraefte-psychologische-tricks-anwenden/)